Wenn ein Angehöriger stirbt und du als Erbe infrage kommst, bleibt oft nicht viel Zeit für Entscheidungen – vor allem, wenn der Nachlass unklar oder überschuldet ist. Das deutsche Erbrecht sieht für diese Situation eine sogenannte Ausschlagungsfrist vor. Innerhalb dieses Zeitraums kannst du das Erbe formell ablehnen. Doch wann beginnt die Frist, wie lange läuft sie, und was passiert, wenn du sie verpasst? In diesem Beitrag erfährst du alles Wesentliche zur Ausschlagungsfrist – mit praxisnahen Beispielen, rechtlichen Grundlagen und klaren Handlungsanweisungen.
Was ist die Ausschlagungsfrist?
Die Ausschlagungsfrist ist der gesetzlich festgelegte Zeitraum, in dem eine Person, die eine Erbschaft nicht antreten möchte, diese formell ausschlagen kann.
Ist die Frist verstrichen, gilt das Erbe automatisch als angenommen – mit allen Rechten, aber auch mit allen Pflichten (z. B. Schuldenübernahme).
Die Ausschlagungsfrist schützt Erben davor, ungewollt Erblasserverbindlichkeiten übernehmen zu müssen – setzt aber zügiges Handeln voraus.
Gesetzliche Grundlage
Die Ausschlagungsfrist ist in § 1944 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Dort heißt es:
- Die Frist beträgt sechs Wochen
- In bestimmten Fällen sechs Monate
- Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Erbfalls und der eigenen Erbenstellung
Wie lange dauert die Ausschlagungsfrist?
Regelfrist:
- Sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, an dem der Erbe vom Anfall der Erbschaft und dem Grund der Berufung erfährt.
Verlängerte Frist:
- Sechs Monate, wenn:
- der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte
- oder der Erbe sich bei Fristbeginn im Ausland befindet
💡 Wichtig: Die Frist verlängert sich nicht automatisch, wenn du auf Informationen zum Nachlass wartest. Sie läuft auch, wenn du den Nachlasswert noch nicht vollständig kennst!
Wann beginnt die Ausschlagungsfrist?
Die Ausschlagungsfrist beginnt nicht automatisch mit dem Tod des Erblassers, sondern erst, wenn du von deiner Erbenstellung erfährst.
Unterscheidung:
- Gesetzliche Erben: Frist beginnt mit Kenntnis vom Tod und der gesetzlichen Erbfolge
- Testamentarische Erben: Frist beginnt mit Bekanntgabe des Testaments durch das Nachlassgericht
Beispiel 1:
Vater stirbt am 1. März. Du erfährst am 10. März vom Tod und dass du als Sohn gesetzlicher Erbe bist.
→ Fristbeginn: 10. März → Fristende: 21. April
Beispiel 2:
Testament wird dir am 15. April vom Nachlassgericht eröffnet.
→ Fristbeginn: 15. April → Fristende: 27. Mai
Wie erfolgt die Ausschlagung innerhalb der Frist?
Die Ausschlagung muss formgerecht erfolgen:
- Persönlich beim Nachlassgericht (zur Niederschrift)
- Schriftlich mit notariell beglaubigter Unterschrift
Eine einfache E-Mail oder ein Brief genügt nicht. Die Erklärung muss innerhalb der Frist zugegangen sein – Postlaufzeiten sind zu berücksichtigen.
Was passiert bei Fristversäumnis?
Wird die Ausschlagung nicht fristgerecht erklärt, gilt die Erbschaft als angenommen (§ 1943 BGB). Konsequenzen:
- Du wirst rechtlich voller Erbe
- Du haftest für Schulden und Verpflichtungen des Erblassers
- Rücktritt oder Widerruf ist nicht mehr möglich
Einzige Option: Anfechtung der Annahme – aber nur unter engen Voraussetzungen (siehe unten).
Anfechtung bei Fristversäumnis
Wenn die Frist ohne Ausschlagung verstrichen ist, kann die Annahme unter bestimmten Bedingungen angefochten werden (§ 1954 BGB):
- Irrtum über die Überschuldung
- Täuschung über den Wert des Nachlasses
- Drohung durch Dritte
- Versehentliches Fristversäumnis unter besonderen Umständen
Frist zur Anfechtung: Sechs Wochen ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes
Auch hier gilt: Die Anfechtung muss formgerecht erfolgen (Nachlassgericht oder Notar).
Besonderheiten bei minderjährigen Erben
Für Kinder oder Jugendliche unter 18 Jahren gilt:
- Ausschlagung durch die gesetzlichen Vertreter (Eltern)
- Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung, wenn keine eindeutige Vorteilslage vorliegt
- Fristbeginn erst, wenn die Vertreter vom Erbfall erfahren haben
Tipp: Frühzeitig beim Nachlassgericht informieren und nötige Unterlagen einholen, um Fristen nicht zu versäumen.
Kosten der Ausschlagung
Die Ausschlagung selbst ist nicht teuer:
- Beim Nachlassgericht: ca. 30 €
- Über Notar: abhängig vom Nachlasswert (i. d. R. 50–200 €)
- Zusätzliche Kosten bei Anfechtung oder Genehmigung durch Familiengericht möglich
Häufige Fragen zur Ausschlagungsfrist (FAQs)
In der Regel sechs Wochen, bei Auslandsbezug sechs Monate.
Ab dem Tag, an dem du Kenntnis vom Erbfall und deiner Erbenstellung hast – bei Testamentseröffnung ab Zustellung durch das Gericht.
Nein – gesetzlich festgelegte Fristen sind nicht verlängerbar.
Dann gilt die Erbschaft als angenommen – auch bei Schulden. Eine Anfechtung ist nur unter engen Voraussetzungen möglich.
Persönlich beim Nachlassgericht oder schriftlich mit notarieller Beglaubigung – nicht per E-Mail oder Telefon.
Fazit: Ausschlagungsfrist nicht verpassen – sorgfältig prüfen und rechtzeitig handeln
Die Ausschlagungsfrist ist eine der wichtigsten Fristen im deutschen Erbrecht. Wer sie ignoriert oder verpasst, nimmt das Erbe automatisch an – mitsamt möglicher Schulden und Risiken. Deshalb gilt: Sobald ein Erbfall eintritt, solltest du sofort prüfen, ob du die Erbschaft wirklich antreten willst. Bei Unsicherheiten ist fachliche Beratung durch einen Anwalt oder Notar empfehlenswert. Nur wer rechtzeitig und korrekt handelt, kann seine Interessen schützen und teure Fehler vermeiden.